Luftspiegelungen: Inspiration für Religion und Mythologie

Bevor wirkliches Wasser über die Flüsse aus den Anden kam, erschienen Fata Morgana Seen in der Nazca Wüste. Die Aufgabe der Kanäle bestand darin, diese Seen bei Trockenheit anzuzapfen, in der Hoffnung, dass dies die Ankunft von echtem Wasser entlang derausgetrockneten Flussarme auslösen würde.

Kurz vor Weihnachten 1980, von einer beruflichen Verpflichtung in einem Kupferbergwerk im Süden Perus kommend, reiste ich mit einem lokalen Bus nach Norden durch die Nazca-Wüste. Ich bat den Fahrer, mich an einem der langen Streifen abzusetzen, die von der Nazca-Zivilisation geschaffen worden waren. Als ich diesem entlang gegen den Horizont blickte, sah ich einen riesigen See, eine Luftspiegelung, die dort zufällig aufgetreten war. Dieses Phänomen einer Luftspiegelung in der Wüste ist die wohlbekannte Projektion des blauen Himmels auf den Boden, eine Fata Morgana (unteres Bild).

Sie tritt dann auf, wenn man bei ruhiger Atmosphäre über erhitzen Boden hinwegblickt und Licht wahrnimmt, das sich in gekrümmten Bahnen ausbreitet. Schaut man über einen kühlen Boden, wird man gelegentlich Zeuge des gegenteiligen Phänomens: Landschaften, die verkehrt in den Himmel projiziert werden (oberes Bild). Die Luftspiegelung in der Nazca-Wüste trat auf, da wegen der erfolgten Ankunft der El Niño-Strömung vor Weihnachten der starke Wind aufgehört hatte.

Als ich diese Illusion von Wasser sah, spürte ich zu verstehen, was die Bewohner von Nazca mit ihren riesigen Kanälen in der trockenen Wüste bezweckten: der ausbleibende Wind bedeutet Regen für die Anden, da nun Wolken dorthin ziehen können. Innerhalb von zwei Wochen bringen die ausgetrockneten Flüsse tatsächlich frisches Wasser.

Ich entschloss mich, alles zu studieren, was ich über Luftspiegelungen und ihren Bezug zur menschlichen Vorstellungskraft finden konnte. Bald begriff ich, dass dieses einzige Naturphänomen, das den frühen Menschen den Blick in eine andere Welt ermöglicht hatte, sich als reiche Quelle von Inspiration für Mythologie und Religion erweisen sollte. Zu jener Zeit konnte es nicht als irdisches optisches Phänomen verstanden werden. Die Luftspiegelungen fanden erst ab dem 18. Jahrhundert eine wissenschaftliche Erklärung.

Der Einfluss dieses sehr erstaunlichen Naturphänomens der Luftspiegelungen auf Mythologie und Religion ist von der anthropologischen Forschung weitgehend übersehen worden. Unsere Vorfahren waren in ihrem Bemühen, die Umwelt und eine mögliche andere Welt zu verstehen, weniger mit reiner Phantasie als vielmehr naturwissenschaftlich vorgegangen. Die umgekehrte Welt am Himmel als Modell für das Jenseits hat sich tief im Unterbewussten der Menschen verankert. Drei Bücher (Das Rätsel der Götter: Fata Morgana,  Die gläsernen Türme von Atlantis: Erinnerungen an Megalith-EuropaAls die Berge noch Flügel hatten: Die Fata Morgana in alten Kulturen, Mythen und Religionen) und zwei Publikationen (Ref. 316, 447) folgten. Charakteristisch für diese Begegnungen mit Luftspiegelungen ist die Weite des Blicks und die Größe der gesichteten Objekte.

Großdimensionierte Monumente wie die Nazca Linien, die Pyramiden und die megalithischen Arenen wurden als Observatorien für Luftspiegelungen verwendet. Sie dienten der Kommunikation mit dem Jenseits und als Instrumente für die Wettervorhersage (Buch Das Rätsel der Götter: Fata Morgana).
Die weltweit überlieferten mythologischen und religiösen Vorstellungen von einer jenseitigen umgekehrten Welt, von drachenähnlichen mythischen Wesen, die in der Luft schweben, und von dreifachen Göttern und dreifachen Welten werden in diesem Buch als uralte, naturalistische Interpretationen und Idole von tatsächlich erlebten Spiegelungen nach oben beschrieben. Die obere Darstellung zeigt Berge Kanadas über einer kühlen Ebene in den Himmel projiziert (zur Verfügung gestellt von A. Takeno, Tokyo).