Der Gebrauch von Ocker im Laufe der menschlichen Evolution

Rotes Eisenoxid, Ocker, prägt Landschaften wie hier die Namib-Wüste und fasziniert die Menschen seit über 100.000 Jahren. Sie unternahmen weite Reisen, um an diese mythische Substanz zu gelangen. Biomimetische Ansätze können auch neue Einblicke in anthropologische Zusammenhänge geben. Dies zeige ich mit der folgenden Hypothese (Ref. 440):

Seit urdenklichen Zeiten haben Geier mit dem Menschen um die Kadaver von Tieren konkurriert und sich auf diese Weise den Lebensraum geteilt. Einer dieser Geier, der einst weit verbreitete Bartgeier (Gypaetus barbaticus), hat die Gewohnheit, sein verunreinigtes Gefieder und seine Haut in mit rotem Eisenoxid–Ocker durchmengten Wasserpfützen zu reinigen. Warum dieses Verhalten? Der primitive Mensch dürfte versucht haben, dies herauszufinden und könnte die Vorteile entdeckt haben:

Roter Ocker, der seit über 100.000 Jahren menschliche Rituale begleitet, ist nicht nur eine rote Farbe zur Dekoration und ein Symbol für Blut. Wie photochemische Experimente zeigen, ist Ocker in Sonnenlicht aktiv und produziert aggressive chemische Produkte. Diese können Viren und Bakterien abtöten und übelriechende organische Substanzen in flüchtiges neutrales Kohlendioxid-Gas umwandeln. Auf diese Weise kann Ocker im Sonnenlicht die Haut reinigen und sterilisieren, die Gesundheit und das Wohlbefinden fördern und Jäger geruchsneutral machen. Die Vermeidung von Gerüchen bei der Jagd auf Tiere war ein klarer strategischer Vorteil für nomadische Fleischjäger.

Aus diesem Grund und zum Schutz vor Krankheiten nahmen prähistorische Menschen den Ocker in ihre Rituale auf, vor allem in jene, die in Beziehung zu Geburt und Tod standen. Sie wischten sich auch die Hände mit Ocker an Felsen ab und entdeckten dabei vielleicht die Faszination des Malens.